Gast des Spieltages: Günter Preuß
Günter Preuß, geboren am 10. November 1936 in Duisburg-Meiderich stand langjährig im Dienst unserer Zebras, sowohl als Spieler als auch als Trainer. Zu Spielerzeiten war er für fünf Jahre unser Kapitän und wurde als solcher 1964 deutscher Vizemeister. Auch als Trainer wirkte er für unseren MSV und zudem für verschiedene Amateurklubs aus der Region rund um Duisburg.
Im Kindesalter trat Preuß in den Meidericher SV ein und rückte 1956 in die erste Mannschaft auf. 1961 wurde er Mannschaftskapitän und erreichte 1963 den Aufstieg in die neugegründete Bundesliga. In deren erster Spielzeit 1963/64 belegte seine Mannschaft, der neun Spieler aus dem Stadtteil Meiderich angehörten, den zweiten Tabellenrang. Ab 1967 kam Preuß nicht zu weiteren Einsätzen, da er sich trotz weiterer Zugehörigkeit zum Spielerkader auf seine Arbeit als Assistenztrainer konzentrierte. 1969 verließ er den Verein und war anschließend als Trainer für verschiedene Amateurklubs tätig, bevor er 1981 zum MSV Duisburg zurückkehrte und dort bis 1986 in verschiedenen Funktionen tätig war.
Günter Preuß wuchs im Duisburger Stadtteil Meiderich auf und erlebte in seiner frühen Kindheit den Zweiten Weltkrieg, nach dessen Ende im Jahr 1945 sein Heimatort stark zerstört und von Armut geprägt war. In dieser Situation entwickelte sich der Fußball für ihn zu seiner wesentlichen Freizeitbeschäftigung, der er insbesondere auf dem Gerhardtsplatz in unmittelbarer Nähe zu seinem Wohnort nachging. Einem Verein gehörte er nicht an, bevor ihm 1948 von seinem Nachbarn Paul Rosin die Aufnahme in die C-Jugend des Meidericher SV angeboten wurde und er daraufhin dort eintrat. Rosin war Jugendobmann bei diesem Verein und hatte den damals Zwölfjährigen zuvor beim Spielen auf der Straße beobachtet. Zu seinen Mannschaftskollegen zählte schon damals Ludwig Nolden, der später auch in der ersten Mannschaft langjährig mit ihm gemeinsam spielte. Trainiert wurde das Nachwuchsteam von Wilhelm Hesselmann, der Preuß und seine Mitspieler nicht nur für eine bestimmte Altersstufe, sondern bis zum Ende des Jugendbereichs betreute.
Innerhalb seiner Mannschaft wurde Preuß zu einem Leistungsträger und führte sie in der A-Jugend, also mit ungefähr 18 Jahren, als Kapitän an. Da Preuß sich als talentiert erwies, wurde er zu dieser Zeit zudem regelmäßig für die Duisburger Stadtauswahl berücksichtigt und nahm mit dieser im April 1955 an einer Reise ins englische Portsmouth teil. Dort präsentierte er sich stark und bekam vor Ort sogar eine Profilaufbahn in Aussicht gestellt, lehnte einen Wechsel nach England jedoch ab. Wenig später glückte ihm die Aufnahme in die Niederrheinauswahl, während er beim MSV ab der Spielzeit 1955/56 regelmäßig für die Reservemannschaft spielte. Diese trat stets unmittelbar vor den Spielen der ersten Mannschaft zu ihren Begegnungen an und galt als deren erweiterter Kreis.
Die erste Mannschaft des Meidericher SV war nach vierjähriger Zugehörigkeit zur Oberliga West, die im regional begrenzten Ligensystem die höchste Spielklasse darstellte, 1955 erstmals wieder in die 2. Liga West abgestiegen. Zu seiner ersten Berücksichtigung in der Zweitligaelf kam Preuß, als der Rechtsverteidiger Hans Sehlhoff im März 1956 im Vorfeld einer Begegnung gegen den STV Horst-Emscher kurzfristig ausfiel und der damals 19-Jährige für ihn nachrückte. Er rettete im frühen Spielverlauf auf der Torlinie und leistete damit einen wichtigen Beitrag zum letztlich souveränen 6:1-Sieg seines Teams. Im direkten Anschluss daran unterzeichnete er beim MSV seinen ersten Vertrag, der sich auf 80 DM monatliches Grundgehalt zuzüglich 100 DM Siegprämie belief. Zwar wurde er im weiteren Saisonverlauf nicht erneut aufgeboten[9], doch seine Mannschaftskameraden erreichten den direkten Wiederaufstieg in die Oberliga.In der Saison 1956/57 kam er zu seinen ersten Einsätzen auf Oberliganiveau, wenngleich er unter Trainer Hermann Lindemann nur gelegentlich spielte und insgesamt acht Mal auf dem Platz stand. Seine Mannschaft konnte sich nach dem Aufstieg sofort wieder in der höchsten Spielklasse etablieren. 1957 wurde mit Helmut Kronsbein ein Trainer eingestellt, der Preuß sofort zum Stammspieler machte. Trotz der nun wichtigen Rolle innerhalb der Mannschaft war er wie damals üblich Vertragsspieler und ging gleichzeitig einer Hauptbeschäftigung als Former bei den Eisenwerken Mülheim-Meiderich nach. Weil diese Arbeit zusätzlich zum Fußball eine starke körperliche Belastung darstellte, setzte sich Kronsbein dafür ein, dass Preuß eine neue Stelle als Tabellierer bei Phoenix-Rheinrohr erhielt. Im Verein konnte er seinen Stammplatz in der nachfolgenden Zeit behaupten und hatte überdies ein gutes Verhältnis zum Trainer, wurde bei Formschwäche aber zwischenzeitlich wieder in die Reservemannschaft versetzt. Auch unter Elmar Rösch, der Meiderich ab 1959 trainierte, blieb er fester Bestandteil der Abwehrreihe und spielte dabei insbesondere an der Seite von Friedel Rausch. In der Spielzeit 1959/60 präsentierte sich die Defensive als ausgesprochen solide, doch die Schwäche im Sturm ließ die Meidericher nicht über eine Mittelfeldplatzierung hinauskommen.
1961 wurde Preuß durch den neuen Trainer Willi Multhaup das Amt des Mannschaftskapitäns übertragen, das zuvor langjährig von Kurt Neumann wahrgenommen worden war. Somit führte er ein Team, dem 1962/63 gute Chancen zugeschrieben wurden, sich für die daran anschließende Neugründung der Bundesliga zu qualifizieren. Gleich am 2. Spieltag zog sich der Kapitän jedoch eine Innenbandzerrung zu und musste daher zunächst pausieren. Meiderich spielte eine gute Saison, allerdings war die zur Qualifikation maßgebliche Zwölfjahreswertung nicht bindend, sodass es keine klare Platzierungsvorgabe zum Erreichen der Bundesliga gab. In der entscheidenden Schlussphase verkündete Trainer Multhaup seinen bevorstehenden Wechsel zu Werder Bremen, weswegen er bei einer Nachholpartie gegen Viktoria Köln am 1. Mai 1963 faktisch handlungsunfähig war und Preuß daher seine Aufgaben wahrnehmen musste. Nach zweimaligem Rückstand führte er die Elf zu einem 3:2-Sieg, wozu insbesondere der von ihm in den Sturm geschickte Defensivspieler Dieter Danzberg mit einem wichtigen Tor beitrug. Fünf Tage darauf erhielt der Meidericher SV vom DFB per Telegramm die Nachricht, dass seinem Aufnahmeantrag für die neue höchste Liga stattgegeben worden sei. Durch einen 2:1-Erfolg gegen Preußen Münster im letzten Oberligaspiel belegte die Mannschaft abschließend den dritten Rang. Preuß war bis dahin auf 150 Oberligapartien sowie eine Zweitligabegegnung jeweils ohne eigenen Treffer gekommen.
Nach dem Aufstieg kam mit Rudi Gutendorf ein weitgehend unbekannter Trainer vom TSV Marl-Hüls, während der Kader durch den einstigen Weltmeister Helmut Rahn, Torwart Manfred Manglitz sowie Heinz Höher verstärkt wurde. Im Kern bestand die Mannschaft weiterhin aus gebürtigen Meiderichern und galt anfangs als klarer Abstiegskandidat. Am 24. August 1963 startete der MSV unter Mitwirkung von Preuß mit einem Auswärtsspiel gegen den Karlsruher SC in die Bundesliga und konnte mit 4:1 gewinnen. Gutendorf setzte hinsichtlich der Taktik nicht auf das damals übliche WM-System, sondern entwickelte ein am Schweizer Riegel orientiertes taktisches Modell (4-2-4-System). Die Abwehr umfasste vier Akteure mit Preuß als Vorstopper und entweder Dieter Danzberg oder Manfred Müller als hinter ihm stehender Libero. Hartmut Heidemann und Johann Sabath sollten sich als schnelle Außenverteidiger ins Offensivspiel einschalten, wofür sie durch eine Verschiebung der anderen Defensivspieler abgesichert waren. Preuß nahm dabei als weisungsbefugter Führungsspieler eine besonders wichtige Rolle ein. Bei einem Auswärtsspiel in Bremen am 5. Spieltag zeigte dieses System seine Tauglichkeit, da Meiderich dank einer stabilen Abwehr ein 1:1 erreichte. Bremens Trainer Multhaup, der erst wenige Monate zuvor von Meiderich aus gewechselt war, kritisierte anschließend die aus seiner Sicht geringe Attraktivität dieser Spielweise. Die Mannschaft behielt das häufig kurz „Riegel“ genannte System bei, konnte sich oben festsetzen und unter anderem durch ein 4:0 gegen den Hamburger SV auf sich aufmerksam machen. Trotz zwischenzeitlicher Rückschläge wie einer 2:5-Niederlage gegen Hertha BSC belegte die Mannschaft letztlich den zweiten Tabellenplatz hinter dem 1. FC Köln, was sie zum Vizemeister der ersten Bundesligaspielzeit machte. Mit Preuß, Heidemann, Müller, Danzberg, Nolden, Krämer, Gecks, Heinz Versteeg und Werner Lotz waren neun Spieler aus der eigenen Jugend, die zudem alle im Duisburger Ortsteil Meiderich aufgewachsen waren, maßgeblich an diesem Erfolg beteiligt. Nach Ansicht von Preuß habe es etwas Derartiges „weltweit noch nicht gegeben“. Bundestrainer Sepp Herberger lobte den MSV als „Gewinn für die Bundesliga“.Im Sommer 1964 unternahmen die Vizemeister eine Reise in die Vereinigten Staaten und nach Kanada, zu deren Beginn Preuß als Kapitän gemeinsam mit Helmut Rahn einen Auftritt bei einem amerikanischen Fernsehsender hatte. Der Beginn der nachfolgenden Spielzeit 1964/65 verlief für Preuß allerdings schlecht, da er infolge harter Trainingsmethoden, die Gutendorf kurz zuvor eingeführt hatte, unter muskulären Problemen litt. Andere Spieler hatten ebenfalls Formprobleme, sodass die Mannschaft nicht an die Leistungen der Vorsaison anknüpfen konnte. Aufgrund eines Konflikts mit dem Vorstand endete Gutendorfs Amtszeit im März 1965. Wilhelm Schmidt übernahm das Traineramt übergangsweise und Meiderich belegte am Ende den siebten Platz. Wenig später erlitt Preuß eine Leistenzerrung und sah dadurch zunächst seine weitere Karriere bedroht, konnte dank der Behandlung durch einen Fachmann im August 1965 nach etwa zweimonatiger Pause jedoch zurückkehren.
Die nachfolgende Bundesligaspielzeit 1965/66 endete für Meiderich unter dem neuen Trainer Hermann Eppenhoff auf dem achten Platz. In ihrem Verlauf gelang am 27. März 1966 mit einem 9:0-Sieg gegen Tasmania Berlin der höchste Auswärtssieg der Ligageschichte. Erfolge gelangen zudem im DFB-Pokal 1965/66, in dem der MSV unter anderem nach einem 6:0-Erfolg gegen den FC Schalke 04 und ein 4:3 im Halbfinale gegen den 1. FC Kaiserslautern ins Endspiel einziehen konnte. Aufgrund eines zwei Wochen zuvor erlittenen Rippenbruchs konnte Preuß an diesem nicht teilnehmen und erlebte eine 2:4-Niederlage seiner Mannschaftskollegen gegen den FC Bayern München. 1966 war zugleich das Jahr, in dem er das Kapitänsamt an den Nationalspieler Werner Krämer abgab.
Die darauffolgende Saison, in deren Verlauf der Verein seinen heutigen Namen MSV Duisburg annahm, war vom Abstiegskampf geprägt. Dabei wurde der frühere Kapitän Preuß durch Trainer Eppenhoff, zu dem er nach eigenen Angaben ein schwieriges Verhältnis hatte, häufig nicht berücksichtigt. Dies änderte sich erst in der Rückrunde, in welcher die Mannschaft den Klassenerhalt am Ende mit deutlichem Vorsprung erreichte.1967 übernahm der Ungar Gyula Lóránt das Traineramt und Preuß, der den Erwerb seines Trainerdiploms plante, wurde zu seinem Assistenten, blieb aber gleichzeitig Teil des Spielerkaders. Zu Lóránt bestand ein gutes Verhältnis, allerdings blieb dieser nur ein Jahr, bevor er durch Robert Gebhardt ersetzt wurde. Bei Gebhardt genoss Preuß deutlich weniger Mitspracherecht als zuvor unter Lóránt. Im Verlauf der Saison 1968/69 bot der Ungar ihm an, beim 1. FC Kaiserslautern erneut sein Assistent zu werden, was Preuß jedoch mit Rücksicht auf seinen Hauptberuf bei der August-Thyssen-Hütte ablehnte. Seine Tätigkeit beim MSV beschränkte sich faktisch auf seine Rolle als Assistenztrainer, der er trotz seiner Zugehörigkeit zum Kader nicht zu weiteren Einsätzen als Spieler kam. Zur selben Zeit ging er an der Sporthochschule Köln dem Erwerb seines Trainerdiploms nach und schloss unter dem Dozenten Hennes Weisweiler im Februar 1969 mit der Note „gut“ ab. In der Rückrunde der Spielzeit 1968/69 vertrat er für einige Begegnungen Gebhardt als Cheftrainer, da dieser sich einer Operation unterziehen musste. Die Mannschaft befand sich im Abstiegskampf, schaffte aber letztlich den Ligaverbleib. Für die Spielzeit 1969/70 war Preuß nicht weiter als Co-Trainer vorgesehen und schied auch aus der Mannschaft aus, für die er ab 1967 ohnehin nicht mehr aufgelaufen war. Dies war nach insgesamt 21 Jahren sein Abschied vom MSV, für den er zwischen 1963 und 1967 an 77 Bundesligapartien ohne eigenen Torerfolg teilgenommen hatte. Kein anderer Feldspieler stand für den Verein so häufig in der Bundesliga auf dem Platz, ohne selbst ein Tor erzielen zu können.
Die Bilder und Zeitungsausschnitte wurden uns freundlicherweise von Willi Blomenkamp zur Verfügung gestellt.
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