„Die west­deut­schen Far­ben wür­dig und eh­ren­voll ver­tre­ten“ –

Das Gast­spiel der Ze­bras bei Ajax Ams­ter­dam im März 1922

von Mar­tin Bla­si­us

Am 02.06.2022 wird der MSV sei­nen 120. Ge­burts­tag er­le­ben, schon Ende März voll­zieht sich aber ein „klei­ne­res“, doch umso runde­res Ju­bi­lä­um: Vor einem Jahr­hun­dert mach­ten die Ze­bras am 26.03.1922 auf Ein­la­dung der be­rühm­ten hol­län­di­schen Fuß­ball­mann­schaft Ajax-Ams­ter­dam (laut Duis­bur­ger Ge­ne­ral-An­zei­ger) näm­lich ihr ers­tes be­kann­tes Spiel im Aus­land. Die vor­lie­gen­de, Quel­len aus bei­den Län­dern nut­zen­de Be­trach­tung er­mög­licht dabei Ein­sich­ten über die Ze­bras, aber auch das deutsch-nie­der­län­di­sche Ver­hält­nis in den frü­hen 1920ern. Zu­letzt kann das da­mals in Ams­ter­dam er­ziel­te Re­sul­tat uns auch schlicht etwas stolz ma­chen. 

1922_Ajax_1
Überschrift im Duisburger Generalanzeiger, 29.03.1922 (Nr. 88, S. 4).

Die da­ma­li­ge Lage der jun­gen Wei­ma­rer Re­pu­blik ist an­ge­sichts ge­walt­sa­mer Er­he­bun­gen und mas­si­ver öko­no­mi­scher Pro­ble­me durch Kriegs­fol­gen, Hy­pe­rin­fla­ti­on und die in Ver­sail­les ver­ein­bar­ten Re­pa­ra­tio­nen schwie­rig. In­ter­na­tio­nal sieht man sich weit­ge­hend iso­liert. Duis­burg selbst ist seit 1921 von Bel­gi­ern und Fran­zo­sen be­setzt. Die im Welt­krieg neu­tra­len Nie­der­lan­de indes wol­len einen sta­bi­len Nach­barn, mit dem sie darum stark zu­sam­men­ar­bei­ten, ist man doch dem sehr viel grö­ße­ren deut­schen Wirt­schafts­raum an­ge­glie­dert (so His­to­ri­ker Ries Roo­waan). Die auch auf kul­tu­rel­lem und sport­li­chen Ge­biet in­ten­si­vier­te Ko­ope­ra­ti­on hilft den Deut­schen, die in­ter­na­tio­na­le Iso­la­ti­on zu durch­bre­chen und die Wirt­schaft zu sti­mu­lie­ren.

Der Ams­ter­dam­sche FC Ajax (nach dem Hel­den der grie­chi­schen My­tho­lo­gie) ist 1922 noch weit vom Sta­tus eines der er­folg­reichs­ten Fuß­ball­clubs über­haupt ent­fernt, der heute 35 Meis­ter­schaf­ten, zwan­zig Cup­sie­ge, ins­ge­samt sie­ben Er­fol­ge in allen drei Eu­ro­pa­po­ka­len sowie zwei im Welt­po­kal ver­zeich­net. Seit dem Krieg ge­hört man aber be­reits zur na­tio­na­len Spit­ze: Nach einem ers­ten Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­such ab 1893 ist der Club 1900 neu­ge­grün­det wor­den und mo­men­tan seit 1917 Erst­li­gist. In sel­bi­gem Jahr hat er den ers­ten Po­kal­sieg ge­holt, 1918 und 1919 den Meis­ter­ti­tel. Im März 1922 sind die Aja­cie­den – im Vor­jahr nie­der­län­di­scher Drit­ter – dann Pri­mus im Wes­ten, fal­len am 19.03. durch ein Un­ent­schie­den aber auf den drit­ten Rang, wo ihre Sai­son auch enden wird.

1922_Ajax_2
Ajax 1926 (von 1922 existiert kein Teamfoto), aus: Stadsarchief Amsterdam, Internationaal Persfoto Bureau N.V., Ajax elftal, oktober 1926, https://archief.amsterdam/beeldbank/detail/752c1105-23de-c5fb-1286-2cd51ff6dacb

Auch in­ter­na­tio­nal sind die Nie­der­län­der be­reits recht er­fah­ren: Ganze 21 Par­ti­en haben sie von 1910 bis 1918 gegen Mann­schaf­ten aus Eng­land, Frank­reich und Bel­gi­en, Deutsch­land (in Ams­ter­dam spie­len 1912/1913 die Bre­mer Clubs Lloyd und Wer­der), Ös­ter­reich sowie Un­garn aus­ge­tra­gen. Die ers­ten Auf­trit­te im Aus­land sind schon 1912 in Bu­da­pest und Wien er­folgt. Nach dem Krieg hat es dann erst 1921 wie­der in­ter­na­tio­na­le Be­geg­nun­gen ge­ge­ben, als Ajax im Mai für drei Par­ti­en in die Schweiz ge­reist ist. Im Herbst hat man dazu in Brüs­sel gas­tiert und Weih­nach­ten den Gras­shop­per Club Zü­rich emp­fan­gen, An­fang 1922 First Vi­en­na.

In den frü­hen 1920ern kom­men die Spiel­part­ner aber vor allem aus Deutsch­land: Weih­nach­ten 1920 ist mit dem VfvB Ruhr­ort ein Duis­bur­ger Club be­grüßt und vor 10.000 Zuschau­ern 4:2 ge­schla­gen wor­den. Die da­ma­li­gen Ajax Club­nieuws haben die Gäste, die Le­bens­mit­tel­knapp­heit, Teue­rung und Le­bens­elend aller Art ge­trotzt hät­ten, dabei sehr ge­lobt. Im März 1921 ist Al­to­na 93 in Ams­ter­dam 0:3 un­ter­le­gen, im Juni hat Ajax auf der Rück­rei­se aus der Schweiz 0:2 beim VfR Köln ver­lo­ren. Im Juni 1922 wird eine Reise mit Spie­len bei Ein­tracht Frank­furt (1:1), 1. FC Nürn­berg (0:4) und MTV 1879 Mün­chen (1:1) fol­gen. Ajax ist so ein (sport­li­cher) Trä­ger der ge­stei­ger­ten deutsch-nie­der­län­di­schen Zu­sam­men­ar­beit.

Jen­seits der Gren­ze ist dem MSV trotz der Um­stän­de ein zü­gi­ger Wie­der­auf­bau ge­lun­gen – wie in Deutsch­land all­ge­mein be­fin­det sich der Fuß­ball auch vor Ort in un­ge­ahn­ter Ent­wick­lung, wie die Fest­schrift des MSV zum 25-jäh­ri­gen Be­ste­hen 1927 schrei­ben wird: Als Teil des Mei­de­ri­cher Turn- und Spiel­ver­eins hat man 1919 schon wie­der sechs Teams ge­stellt, eine Ju­gend­ab­tei­lung ge­bil­det und als Zwei­ter der Kreis­li­ga 1920 Auf­se­hen er­regt, die Hoff­nung auf die Qua­li­fi­ka­ti­on zur neuen Gau­li­ga 1920/21 als Li­ga­vier­ter aber ent­täuscht. Mit Karl Leb­zel­ter aus Stutt­gart ar­bei­tet seit 1921 aber der erste Trai­ner in Mei­de­rich, der laut Fest­schrift durch den Auf­bau der ein­zel­nen Mann­schaf­ten und har­tes Platz­trai­ning die Basis für die an­schlie­ßen­den Er­fol­ge schafft.

1921/22 er­obert man so früh die Ta­bel­len­spit­ze und be­hält sie un­be­siegt bis März 1922. Am Ende ste­hen Kreis­meis­ter­schaft und Auf­stieg. Nach den bei­spiel­lo­sen Er­fol­gen er­hält man aus allen Gauen des Va­ter­lan­des Spie­l­an­ge­bo­te - etwa aus Ber­lin, Ham­burg, Bre­men, Han­no­ver oder Kas­sel –  und un­ter­nimmt des Oef­te­ren grö­ße­re Rei­sen. Noch vor Sai­son­en­de kommt in­des­sen die Ein­la­dung zur ers­ten Aus­lands­rei­se aus Ams­ter­dam – hier hieß es nicht nur die Ver­eins­far­ben al­lein, son­dern auch die un­se­res Va­ter­lan­des eh­ren­voll zu ver­tre­ten, wird man 1927 lesen. Als Ver­mitt­ler der Par­tie fun­giert nach dem Buch „Die Ze­bras kom­men“ von 1977 ein Franz Sin­zig vom VfvB Ruhr­ort, der auch auf seine Schif­fahrts-Ver­bin­dun­gen zu Ams­ter­dam zu­rück­greift.

1922_Ajax_3
Mannschaftsfoto mit den Kreismeistern, ganz rechts Trainer Lebzelter (aus: 50 Jahre Meidericher Spielverein. 1902–1952. Jubiläumsfestschrift. Duisburg 1952, [n. p.].)

Viele lo­ka­le Verei­ne tref­fen da­mals aus­län­di­sche Geg­ner, und tat­säch­lich ist Fuß­ball in Duis­burg gleich an­fangs sehr „in­ter­na­tio­nal“ ge­we­sen: Vor Ort tä­ti­ge Eng­län­der haben früh In­ter­es­se ge­weckt, 1892 ist ein Ball von der Insel ge­kom­men und zwei Jahre spä­ter eine Spie­l­ab­tei­lung (Vor­gän­ge­rin des DSV) ent­stan­den, die schon 1896 in Eng­land ge­spielt hat. Auch die Ze­bras haben be­reits Teams aus den Nie­der­lan­den, Eng­land und Ös­ter­reich be­grüßt: Am 26.12.1910 ist die G.V.C. aus dem nie­der­län­di­schen Wa­genin­gen 4:2 un­ter­le­gen, die Pre­mie­re gegen eine Elf aus dem Fuß­ball-Mut­ter­land 1911, den Bour­ne­mouth FC, mit 3:3 ge­en­det. Bis zum Krieg sind dazu Wil­lem II Til­burg, D.V.S. Rot­ter­dam, even­tu­ell V.V.V. Venlo und 1914 Dul­wich Ham­let aus Lon­don (1:3) zu Gast ge­we­sen.

Seit Kriegs­en­de sind bis­her aber nur zwei Clubs aus Wien an­ge­reist: 1920 hat die First Vi­en­na als äl­tes­ter Fuß­ball­club des Lan­des 2:2 bei den Ze­bras ge­spielt, ein Jahr spä­ter siegt der Wie­ner As­so­cia­ti­ons-Foot­ball-Club (WAF) dort 2:1 – er ist Meis­ter von 1914 und zwei­fach Vi­zecham­pi­on ge­we­sen, seit dem Krieg aber auf dem ab­stei­gen­den Ast. Des­sen un­ge­ach­tet haben sol­che Be­geg­nun­gen aber stets großes In­ter­es­se ge­weckt: 1911 hat es mit den Wor­ten des Ge­ne­ral-An­zei­gers so gros­ses Leben ge­ge­ben, drei Jahre spä­ter ist laut Rhein- und Ruhr­zei­tung (RRZ) schon die Aus­sicht, eine eng­li­sche Mann­schaft spie­len sehen zu kön­nen für einen An­sturm aus­rei­chend ge­we­sen. First Vi­en­na haben dann etwa 10 000 Fuß­ball­freun­de sehen wol­len, den WAF 5 bis 6000.

Nun soll es also in die Haupt­stadt der Nie­der­lan­de gehen. Durch Ajax an­ge­kün­digt wird die Par­tie auf der Ver­eins­ver­samm­lung am 01.03., die Club­nieuws be­to­nen Mitte des Mo­nats, diese Deut­schen vom Mei­de­ri­cher Spiel­ver­ein 1880 seien in die­ser Sai­son be­son­ders stark. De Te­le­graaf aus Ams­ter­dam be­rich­tet, Ajax werde den Spiel­ver­ein Mei­de­rich emp­fan­gen, der un­ge­schla­gen an der Spit­ze sei­ner Ab­tei­lung stand und nur drei Ge­gen­to­re in zwölf ge­spiel­ten Wett­kämp­fen kas­siert habe. Diese In­for­ma­tio­nen lie­fert auch Het Va­der­land aus Den Haag, hier wird zudem der Spielort ge­nannt – in de Meer, also das Het Hou­ten Sta­di­on („das höl­zer­ne Sta­di­on“) im Vier­tel Wa­ter­graafs­meer, die Heim­stät­te von Ajax.

In Duis­burgs Pres­se wird die Be­geg­nung erst am Vor­tag Thema: Für den Ge­ne­ral-An­zei­ger (DGA) zählt Ajax zu den bes­ten Ver­tre­tern des hol­län­di­schen Fuß­ball­sports, doch traut man den Gäs­ten Chan­cen zu: Die Ze­bras, die ja auch in der Duis­bur­ger Kreis­li­ga die Meis­ter­schaft in die­sem Jahre er­run­gen hät­ten und vor­züg­li­chen Fuß­ball böten, könn­ten in jeder Weise es mit dem hol­län­di­schen Geg­ner auf­neh­men. Un­ter­schla­gen wird (und auch in der RRZ) alber ein „klei­nes“ De­tail: Der Ti­tel­ge­winn steht noch gar nicht ganz fest – auch wenn er letzt­lich un­ge­fähr­det Rea­li­tät wer­den soll. Noch Ende März heißt es im DGA so, Mei­de­rich sei die Meis­ter­schaft nicht mehr zu neh­men, aber auch, schlimms­ten­falls fehl­ten bei vier of­fe­nen Spie­len doch noch drei Punk­te.

1922_Ajax_4
Stand der Kreisliga Duisburg (aus: DGA, 31.03.1922, Nr. 90, S. 9)

Die Reise nach Ams­ter­dam wird dann wie­der­um vor allem in der Fest­schrift von 1927 be­schrie­ben, wobei der be­kann­te Sport­jour­na­list Kurt Schaupp­mei­er diese Aus­füh­run­gen spä­ter einem of­fen­bar mit­ge­reis­te Chro­nis­ten zu­ord­nen wird: Die An­fahrt er­folgt am Tag vor der Be­geg­nung am Sonn­tagnach­mit­tag, es wer­den die Stadt, die Ha­fen­an­la­gen und der Zui­der-See be­sich­tigt. Durch die Luft­ver­än­de­rung er­lei­det bei­na­he die kom­plet­te Elf eine Er­käl­tung, die aber am an­de­ren Mor­gen schon wie­der be­ho­ben ist. Mit­ge­bracht hat man auch Brief­tau­ben, um das Er­geb­nis schnell gen Hei­mat zu trans­por­tie­ren. Für Reise- und Über­nach­tungs­kos­ten zahlt Ajax wohl eine Ver­gü­tung – so wie laut Club­nieuws von 1921 an Al­to­na. Den Ruhr­or­tern ist 1920 dazu ein Abendes­sen ge­bo­ten wor­den.

Ort der Par­tie ist wie er­wähnt das Het Hou­ten Sta­di­on, die Heim­spiel­stät­te der Rot-Wei­ßen im öst­li­chen Ams­ter­da­mer Stadt­teil Wa­ter­graafs­meer (ein Foto von 1917/18 unter https://hart.ams­ter­dam/nl/page/34184/het-hou­ten-sta­di­on). Im Lauf der 1910er hat eine Längs­sei­te eine über­dach­te Tri­bü­ne er­hal­ten, auch die üb­ri­gen Sei­ten sind mit Rän­gen aus­ge­stat­tet. Am 26.03. be­ginnt laut Dar­stel­lung von 1927 ein ge­wal­ti­ger Zu­lauf, letzt­lich sei die Par­tie von weit über 10 000 Zuschau­ern ver­folgt wor­den. Diese Zahl dürf­te etwas über­trie­ben sein, der Ge­ne­ral-An­zei­ger be­rich­tet 1922 nur all­ge­mein von nach Tau­sen­den zäh­len­den Zuschau­er. Ab­ge­si­chert wird die Ver­an­stal­tung laut Chro­nist durch ein an­sehn­li­ches Auf­ge­bot von Schutz­leu­ten.

Aus der Ajax-Mann­schaft wer­den spä­ter die An­grei­fer Jan L. van Dort Jr und Kick Geu­de­ker be­kannt, wobei Zwei­te­rer gemäß Club­nieuws der Re­ser­ve ent­stammt. Drei Stamm­kräf­te un­ter­lie­gen am sel­ben Tag mit der Na­tio­nalelf in Ant­wer­pen Bel­gi­en 0:4, De Ams­tel­bo­de zählt ins­ge­samt aber gar sie­ben Er­satz­spie­ler, De nieu­we cou­rant sechs. Und auch be­züg­lich der Elf der Ze­bras herrscht keine Klar­heit, die Mei­de­ri­cher Best­be­set­zung sieht 1921/22 laut An­ga­be von 1927 aber so aus – genau pas­send zum be­reits ge­zeig­ten Te­am­fo­to, das also aus „un­se­rer“ Sai­son stam­men soll­te:

                                                                                    Biethan

                                                               Aß­hoff                              [Ger­hard] Ha­fer­kamp

                                            Him­mel­berg                    La­schuit                            Tho­mas

                                                      [Peter] Vers­te[e]g                                        Storck

                                       Ger­ling                             [Wal­ter] Krä­mer                           [Jo­hann] [C]as­pers

Ob am 26.03. diese Elf auf dem Feld steht, ist aber kei­nes­wegs klar – nur, dass Vers­teeg, Krä­mer, Cas­pers und ein in der Duis­bur­ger Sport­ge­schich­te be­kann­ter Spie­ler: der hol­län­di­sche Mit­tel­läu­fer La­schuit! (so der DGA Ende 1921) mit­wir­ken. Die üb­ri­gen Ak­teu­re sind nicht be­kannt, zumal ein zwei­tes Mann­schafts­fo­to aus die­ser Zeit exis­tiert, auf dem statt La­schuit und Ha­fer­kamp erBrands und Schwenz­fei­er er­schei­nen. Hier tra­gen die Mei­de­ri­cher die vom DGA im Juli 1921 als neue Ver­eins­klei­dung er­wähn­ten wei­ßen Blu­sen und schwar­zen Hosen, so­dass wir auch nicht wis­sen, in wel­chem Dress die Ze­bras in Ams­ter­dam auf­lau­fen.

1922_Ajax_5
Das zweite Mannschaftsfoto (aus: 50 Jahre Meidericher Spielverein, [n. p.].)

Über den Spiel­ver­lauf be­rich­tet die Rhein- und Ruhr­zei­tung nur knapp, die Dar­stel­lun­gen des DGA, der Fest­schrift von 1927 sowie des Ams­ter­da­mer Blat­tes De Ams­tel­bo­de er­ge­ben aber fol­gen­des, nicht immer ein­heit­li­ches Bild: Lob er­fährt im Ge­ne­ral-An­zei­ger die Leis­tung des be­kann­ten Schieds­rich­ters Ro­eb­mann, der Platz ist aber nicht in be­son­ders guter Ver­fas­sung. Letz­ten Vor­be­rei­tun­gen und Ver­hal­tens­maß­re­geln sei­tens des Trai­ners folgt laut Fest­schrift der um­ju­bel­te Ein­lauf der Ze­bras, die Haus­her­ren grüßt or­kan­ar­ti­ges Brau­sen. Der DGA schreibt, dass die Gäste zu­erst gegen Wind und Sonne spie­len – und die Ams­ter­da­mer be­reits nach 10 Mi­nu­ten das 1:0 ma­chen. Der Chro­nist der­weil zählt etwa zwan­zig Mi­nu­ten, De Ams­tel­bo­de nennt als Schüt­zen Er­satz­mann Geu­de­ker (der üb­ri­gens auch Ba­se­ball spielt).

Die Freu­de des Pub­li­kums ist für den Chro­nis­ten un­be­schreib­lich, doch währt nur kurz: Schon ei­ni­ge Zeit spä­ter er­zielt der kur­zer­hand ab­zie­hen­de Vers­teeg der Aus­gleich. Laut Ge­ne­ral-An­zei­ger bie­ten die Teams nach dem 1:0 ein aus­ge­gli­che­nes Spiel, und hier ist es bald vor der Pause ab­wei­chend Mit­tel­stür­mer Kre­mer, der aus dem Ge­drän­ge her­aus zum 1:1 trifft. Auch hier kar­gen die An­we­sen­den nicht mit dem Bei­fall, was für ihre Fair­ness wie die Klas­se der Ze­bras spricht. Auch De Ams­tel­bo­de sieht den Tref­fer nahe der Pause – wobei je­doch auch nach der Pause ge­meint sein kann. Sinn macht Zwei­te­res aber kaum, denn wäh­rend der Halb­zeit schi­cken die Gäste eine Brief­tau­be mit die­sem Re­sul­tat (von 1:1) ab, so die Fest­schrift.

1922_Ajax_6
Vom Spiel im März 1922 fehlen Bilder, hier aber eines von 1927: Ajax trifft gegen den Stadtrivalen Blauw-Wit, aus: Stadsarchief Amsterdam, Internationaal Persfoto Bureau N.V., Ajax - Blauw-Wit, januari 1927, https://archief.amsterdam/beeldbank/detail/577c3daa-6055-9886-38fe-16bf130c8adc

Nach dem Be­richt des DGA kenn­zeich­net schar­fes Tempo der Mei­de­ri­cher den Wie­der­be­ginn, doch bald geht den­noch Ajax durch einen präch­ti­gen Schuß sei­nes Halb­lin­ken, den De Ams­tel­bo­de als van Dordt be­nennt, er­neut in Front. Hol­land führt jetzt mit 2:1. Das Pub­li­kum feu­ert jetzt durch ge­mein­sa­me Zwi­schen­ru­fe wie etwa Ajax, hoop, hoop oder Vor­wuit, Ajax! die Gast­ge­ber an. Diese At­mo­sphä­re mo­ti­viert aber auch die Ze­bras, deren Läu­fer­rei­he den ei­ge­nen Sturm vor­treibt. Es gibt hei­kle Mo­men­te, aber der vor­züg­li­che Tor­wart von Ajax hält meh­re­re ge­fähr­li­che Bälle, an­de­re gehen gegen die Latte oder da­ne­ben. Noch fünf­zehn Mi­nu­ten vor Schluss wird mit vol­lem Ein­satz ver­bis­sen ge­kämpft, so der Chro­nist.

Schließ­lich aber wer­den die Mei­de­ri­cher doch be­lohnt, als Cas­pers (auch Kas­pers) nach gutem Zu­sam­men­spiel einen Pracht­schuß an­zu­brin­gen ver­mag, den der hol­län­di­sche Tor­wart nicht mehr er­reicht. In „Die Ze­bras kom­men“ wird der in­zwi­schen 80-jäh­ri­ge zum Bes­ten geben, der Schuss habe das Netz aus sei­ner Hal­te­rung ge­ris­sen und man er­zäh­le sich, es hänge noch in einem Ams­ter­da­mer Mu­se­um. Der Chro­nist schil­dert wie von Mann zu Mann ge­spielt wird, plötz­lich Mei­de­richs Nie­der­län­der La­schuit an den Ball kommt, an Vers­teeg wei­ter passt und die­ser das Spiel­ge­rät Cas­pers zu­lenkt, der mit ge­wal­ti­gem Schuß den er­neu­ten Aus­gleich her­stellt. Stür­mi­scher Bei­fall folgt auch dem vier­ten Tref­fer des Tages, wenig spä­ter ist das Spiel dann zu Ende.

1922_Ajax_7
Spielszene 1926: Im Hintergrund die Gegentribüne, aus: Stadsarchief Amsterdam, Internationaal Persfoto Bureau N.V., Ajax-R.C.H., november 1926, https://archief.amsterdam/beeldbank/detail/a0a18b28-c064-e16f-5c14-d0526aff5ae6

1927 wird es zur Rück­kehr nach Mei­de­rich hei­ßen, sie werde allen Teil­neh­mern noch in guter Erin­ne­rung sein – freu­di­ge An­hän­ger emp­fan­gen den Tross. Alles in Allem haben die Ze­bras mit dem 2:2 (nach Ecken 8:4 für sie) laut DGA die west­deut­schen Far­ben wür­dig und eh­ren­voll ver­tre­ten, und auch die hol­län­di­sche Pres­se äu­ßert sich an­geb­lich sehr güns­tig. Grund­sätz­lich stimmt das, die dor­ti­gen Ge­dan­ken sind aber doch etwas kom­ple­xer. De Te­le­graaf, Nieu­we Rot­ter­dam­sche Cou­rant und De Maas­bo­de (Rot­ter­dam) brin­gen dabei nur das Re­sul­tat, De Ams­tel­bo­de (und wort­gleich De Tijd in Ams­ter­dam) sowie De nieu­we cou­rant (Den Haag) je­doch kür­ze­re Be­rich­te.

Be­mer­kens­wert schei­nen dem im Ams­tel­bo­de schrei­ben­den Autor zu­nächst ei­ni­ge Ver­hal­tens­wei­sen der Gäste: Etwas sar­kas­tisch for­mu­liert er, man habe den ers­ten Aus­gleich – welch freu­di­ge Nach­richt – so­fort in die „Hei­mat“ über­mit­telt. Deut­lich kom­men­tiert wird ein klei­ner Glücks­brin­ger der Ze­bras: Ein Plüsch­bär, der auch auf bei­den hier ge­zeig­ten Te­am­fo­tos vor Kee­per Biethan sitzt. Die Ze­bras blie­ben mit den Wor­ten des Jour­na­lis­ten so vor einer Nie­der­la­ge be­wahrt, dank&hel­lip; dem Püpp­chen oder so­ge­nann­ten „Mas­kott­chen“, das sie mit­ge­bracht und im Tor de­po­niert hat­ten. Das war das erste Mal, dass wir solch eine öf­fent­li­che Zur­schau­stel­lung sport­li­chen Aber­glau­bens auf einem Fuß­ball­feld sahen. Ob das alle (oder auch nur viele) der an­we­sen­den Nie­der­län­der so sehen, wis­sen wir al­ler­dings nicht.

1922_Ajax_8
Zuschauer im Het Houten Stadion 1927, aus: Stadsarchief Amsterdam, Internationaal Persfoto Bureau N.V., Ajax-D.F.C, 27 februari 1927, https://archief.amsterdam/beeldbank/detail/802bcc29-5332-2263-3dce-be062ef1ba0b

Sport­lich da­ge­gen kom­men die Ze­bras je­den­falls ziem­lich gut weg – ob­wohl sie auf eine stark er­satz­ge­schwäch­te Mann­schaft mit wie er­wähnt sechs oder sie­ben Aus­fäl­len ge­trof­fen sind. De Ams­tel­bo­de ur­teilt, Ajax habe es den­noch ge­schafft, sich den un­ge­schla­ge­nen Cham­pi­on sei­ner Ab­tei­lung, den Mei­de­ri­cher-Ve­rein, vom Leib zu hal­ten und ein un­ent­schie­de­nes Spiel zu er­rei­chen. Die Gäste, die zum Ende hin stär­ker wur­den, aber eben­so wie die Haus­her­ren unter man­geln­der Treff­si­cher­heit lei­den, schie­ßen doch noch ihr zwei­tes, wohl­ver­dien­tes Tor. De nieu­we cou­rant schreibt gar, dass die Deut­schen im Gan­zen einen klei­nen Sieg ver­dient hät­ten. Ins­ge­samt haben die „klei­nen“ Mei­de­ri­cher ihre Pre­mie­re im Aus­land so durch­aus er­folg­reich ge­stal­tet – und als ers­tes deut­sches Team über­haupt einen Punkt beim in­ter­na­tio­nal be­reits pro­mi­nen­ten AFC Ajax ge­holt.

Quel­len 

  • Fuß­ball­sport, in: Ge­ne­ral-An­zei­ger für Duis­burg-Ruhr­ort-Mei­de­rich und Um­ge­gend (GAD), 24.12.1910, Nr. 313, S. 3.
  • Sport. Fuß­ball, in: Rhein- und Ruhr­zei­tung (RRZ), 01.01.1911, Nr. 1 (Mor­gen-Ausg.), S. 2.
  • Fuss­ball­sport, in: GAD, 19.04.1911, Nr. 105, S. 6.
  • Wil­lem II naar Duits­land, in: Til­burg­sche cou­rant, 27.12.1911, Nr 4867, S. 2.
  • Fuß­ball­sport, in: RRZ, 17.02.1912, Nr. 88 (Abend-Ausg.), S. 6.
  • Voet­bal, in: De Cou­rant, 06.04.1912, Nr. 7102 (4-uur-edi­tie), S. 5.
  • Sport und Spiel, in: RRZ, 11.04.1914, Nr. 185 (Vor­mit­tag-Ausg.), S. 3.
  • Fuß­ball, in: RRZ, 27.07.1920, Nr. 339 (Abend-Ausg.), S. 2.
  • Van onze Be­stu­urs­ver­gade­rin­gen, in: Ajax Club­nieuws, 15.12.1920, S. 1f.
  • A pro­pos: Ajax-Ruhr­ort!, in: Ajax Club­nieuws, 01.01.1921, S. 6f.
  • Be­stu­urs­ver­gade­ring, in: Ajax Club­nieuws,  15.03.1921, S. 4f.
  • Fuß­ball, in: DGA, 22.07.1921, Nr. 199, S. 5.
  • Elftal­len voor Maart 1922, in: Ajax Club­nieuws, 01.03.1922, S. 4.
  • Der Duis­bur­ger Kreis, in: DGA, 13.03.1922, Nr. 72, S. 3.
  • Aja­x–Mei­de­ri­cher Spiel­ver­ein, in: De Te­le­graaf, 14.03.1922, No. 11496 (Och­tenblad), S. 2.
  • Aja­x–Mei­de­ri­cher Spiel­ver­ein, in: Het Va­der­land, 14.03.1922, (Och­tenblad), S. 4.
  • Varia, in: Ajax Club­nieuws, 15.03.1922, S. 3.
  • Tur­nen/Sport/Spiel, in: RRZ, 18.03.1922, Nr. 121 (Mor­gen-Aus­ga­be), S. 2.
  • Sport en speel, in: De Maas­bo­de, 20.03.1922, No. 18048 (Avond­blatt), S. 9
  • Der Sport am Sonn­tag, in: DGA, 25.03.1922, Nr. 84, S. 7.
  • Fuß­ball, in: RRZ, 25.03.1922, Nr.132 (Mor­gen-Ausg.), S. 4.
  • De uits­la­gen, in: De Te­le­graaf, 27.03.1922, No. 11509 (Avondb­lad), S. 10.
  • De wed­stri­j­den von gis­te­ren, in: Nieu­we Rot­ter­dam­sche Cou­rant, 27.03.1922, Nr.79/85 (Avondb­lad), S. 10.
  • De uits­la­gen, in: De Maas­bo­de, 27.03.1922, No. 18060, (Avondb­lad), S. 10.
  • De uits­la­gen, in: De nieu­we cou­rant, 27.03.1922, No. 85 (Avondb­lad), S. 6.
  • Aja­x–Mei­de­ri­cher-Ve­rein, in: De Ams­tel­bo­de, 27.03.1922, No 8937, S. 3.
  • Aja­x–Mei­de­ri­cher-Ve­rein, in: De Tijd: gods­diens­tig-staat­kun­dig dagb­lad, 28.03.1922, No. 22819, S. 7.
  • Mei­de­ri­cher Spiel­ver­ein 1880 in Hol­land, in: DGA, 29.03.1922, Nr. 88, S. 4.
  • Fuß­ball, in: RRZ, 29.03.1922, Nr. 137 (Mor­gen-Ausg.), S. 4.
  • Die Meis­ter­schafts­kämp­fe der Duis­bur­ger Kreis­li­ga, in: DGA, 31.03.1922, Nr. 90, S. 9.
  • Honk­bal, in: Ajax Club­nieuws, 01.04.1922, S. 3.
  • Fuß­ball, in: RRZ, 07.05.1922, Nr. 194, S. 5.
  • Fuß­ball, in: RRZ, 19.07.1923, Nr. 293 (Mor­gen-Ausg.), S. 5.
  • Ajax Coun­tries, in: AFC-Ajax.info, o. D., https://www.afc-ajax.info/en/over­view/coun­tries.
  • Op­stel­lin­gen Bel­gië - Ne­der­land 4 - 0 (26/03/1922 - VRND), in: Voet­ball­stats.nl. Ne­der­lands elftal vanaf 1905 - Eu­ro­pa Cup vanaf 1955, o. D., https://voet­bal­stats.nl/ops­tel­ne­d­xi.php?wid=58.
  • Rot­gans, Kees/de Weert, Ro­land/Bro­ers, Ger­hard: Het Hou­ten Sta­di­on. Ajax en Wa­ter­graafs­meer, in: Hart.Ams­ter­dam, 20.11.2013, https://hart.ams­ter­dam/nl/page/34184/het-hou­ten-sta­di­on.
  • Stadsar­chief Ams­ter­dam, In­ter­na­tio­naal Pers­fo­to Bu­reau N.V., Ajax elftal, ok­to­ber 1926, https://ar­chief.ams­ter­dam/be­eld­bank/de­tail/752c1105-23de-c5fb-1286-2cd51ff6­dacb.
  • Stadsar­chief Ams­ter­dam, In­ter­na­tio­naal Pers­fo­to Bu­reau N.V., Ajax - Blauw-Wit, ja­nua­ri 1927, https://ar­chief.ams­ter­dam/be­eld­bank/de­tail/577c3daa-6055-9886-38fe-16b­f130c8adc
  • Stadsar­chief Ams­ter­dam, In­ter­na­tio­naal Pers­fo­to Bu­reau N.V., Ajax-R.C.H., no­vem­ber 1926, https://ar­chief.ams­ter­dam/be­eld­bank/de­tail/a0a18b28-c064-e16f-5c14-d0526aff5ae6
  • 25 Jahre Mei­de­ri­cher Spiel­ver­ein. Sport-Wer­be­wo­che vom 21. bis 29. Mai 1927. Duis­burg 1927.
  • 50 Jahre Mei­de­ri­cher Spiel­ver­ein. 1902–1951. Duis­burg 1952.
  • Be­ren­schot, Carel/van Zoest, Rob/Endt, David (Red.): Ajax 1900-2000. Bus­s­um 2000.
  • Dem­bow­ski, Gerd u. a.: Im Re­vier der Ze­bras. Die Ge­schich­te des MSV Duis­burg. Göt­tin­gen 2001.
  • Heid, Lud­ger u. a.: Klei­ne Ge­schich­te der Stadt Duis­burg. 4. Aufl. Duis­burg 1996.
  • Roo­waan, Ries: Im Schat­ten der Gro­ßen Po­li­tik. Deutsch-nie­der­län­di­sche Be­zie­hun­gen zur Zeit der Wei­ma­rer Re­pu­blik 1918-1933. Müns­ter 2006.
  • Schaupp­mei­er, Kurt: Spor­tRe­port. Serie A - Band 5: Mei­de­ri­cher Spiel­ver­ein. Re­gens­burg 1965.
  • Vin­schen, Klaus-Die­ter: Ers­ter Welt­krieg und Wei­ma­rer Re­pu­blik (1914-1933), in: Heid, Lud­ger u. a. (Hrsg.): Klei­ne Ge­schich­te der Stadt Duis­burg. 4. Druck Duis­burg 1996, S. 253-308.
  • Wehle, Hans: Die Ze­bras kom­men. 75 Jahre MSV Duis­burg. Tau­nus­s­tein 1977.

Stand: 26.03.2022


MSV Mu­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­se­um e.V.

Ge­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­schich­te er­le­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­ben ⚽ Tra­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­di­ti­on be­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­wah­ren ⚽ Zu­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­kunft ge­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­stal­ten