Meiderich gegen Hüttenheim: Begegnungen in der zweiten Liga 1939 bis 1943
Mit der SG Duisburg-Süd 98/20 empfangen die Amateure einen zugleich sehr jungen und sehr alten Verein – und einen ‚flüchtigen Bekannten‘ unserer ersten Mannschaft aus lang vergangener Zeit: Die Sportgemeinschaft entstand erst 2022 aus dem VfL Duisburg-Süd und TuSpo Huckingen, trägt aber natürlich deren jeweils lange Historien weiter. Von 1938 bis 1945 verliefen diese dabei bereits gemeinsam – und just in dieser dunkelsten Periode deutscher Geschichte kam es in der damaligen zweiten Liga zu Punktspielen gegen die Zebras. Das MSV Museum blickt zurück.
Der Turn- und Sportverein Huckingen wurde 1898 als „Turn-Verein“ gegründet, der VfL Duisburg-Süd 1920 als „Turn- und Rasensportverein Hüttenheim“. Dessen Heimat entstand erst wenige Jahre zuvor als Arbeitersiedlung eines neuen Stahlwerks und wuchs mit den bald an die Mannesmann-Röhrenwerke gelangten Anlagen bis 1939 auf 4.200 Einwohner. Den ersten Platz weihte „TuRa“ laut Rhein-und Ruhrzeitung (RRZ) am 04.12.1921 mit dem „ersten Spiel“ überhaupt ein, das gegen TuRu Düsseldorf 1:1 endete. 1929, im Jahr der Eingemeindung des heutigen Duisburger Südens, erhielt man von Mannesmann das Gelände „An der Batterie“, laut Chronik auf SG-Duisburg-Sued.de „etwa an der Einfahrt zum heutigen Thyssengelände“.
Zeitungsberichte von 1921, 1935 und 1938 (RRZ, 07.12.1921, Nr. 516, S. 3; Ebd., 05.09.1935, Nr. 245, S. 6; DGA, 16.02.1938, Nr. 46, S. 8)
Als die Nationalsozialisten ab 1933 alle sozialen Bereiche für ihre Diktatur zu erfassen suchten, sah auch der Fußball eine „Gleichschaltung“, also Ausrichtung am Führerprinzip und „systematische Vertreibung von Juden und Regimegegnern“, wie das Buch „Im Revier der Zebras“ formuliert.„Zwangsfusionen“ gebaren neue „Großvereine“ und man förderte den Betriebssport stark, der „ein gehobenes Maß an Kontrolle“ bot. Die seit 1924 als „TuSpo“ auftretenden Huckinger vereinigten sich 1933 so mit einem (heute vergessenen) „VfL. Dbg.-Süd“, TuRa bildete 1935 mit einem Kraftsport- und einem Tennisclub den VfL Hüttenheim, der drei Jahre später Teil der neuen Betriebssportgemeinschaft des Röhrenwerkes wurde, wo viele Mitglieder arbeiteten. Die „Wettkampfgemeinschaft (WKG) Mannesmann“ schloss dabei auch TuSpo ein, so die Festschrift zum 100jährigen Bestehen. Es folgte die erfolgreichste Zeit des Fußballs in beiden Stadtteilen –gleich 1939 stieg man in die Bezirksklasse, die zweite Liga auf. Dort traf man auch den MSV, der NS-Diktatur und Weltkrieg als meist mittelmäßiger Zweitligist erlebte.
Vordem ersten Treffen am 17.12.1939 in Hüttenheim belegten die „Mannesmänner“ den 6. Platz, der Spielverein folgte punktgleich. Vor laut General-Anzeiger (DGA) „zahlreichen Zuschauern“ trafen die Hausherren bereits in der 5. Minute, doch wurden die Zebras immer besser. Der Ausgleich fiel aber „erst Mitte der zweiten Hälfte“ nach einem „feinen Kombinationszug“. Aus Sicht der RRZ wurde Mannesmann noch ein Handelfmeter verweigert, und so blieb es beim Remis – das dem Anzeiger „in Ordnung“ schien, denn „spielerisch hielten sich beide Mannschaften die Waage“. In der Rückrunde kassierte der tabellarisch klar besser positionierte MSV gegen Hüttenheimer „in bester Form“ jedoch eine gemäß DGA überraschende, „saftige Abfuhr“ und ging an „einem rabenschwarzen Tag“ im März 1940 zuhause 0:10 (0:4) unter. Man hatte „auf der ganzen Linie versagt“ und schon nach zehn Minuten drei Tore kassiert, der Gast indes zeigte mit den Worten der RRZ „famose Leistungen“. Die Klatsche für Meiderich blieb aber ein Ausrutscher, die Spielzeit endete als Ligadritter, für die WKG im Mittelfeld.
Rhein-und Ruhrzeitung zu den Begegnungen 1939/40 (18.12.1939, Nr. 346, S.3;04.03.1940, Nr. 63, S. 3)
Im September 1940 trennte man sich nach einer laut RRZ „ungemein harten Auseinandersetzung“ und „grundverschiedenen Halbzeiten“ in Hüttenheim 2:2:Erspielte Meiderich zunächst „eine klare Feldüberlegenheit“ und traf in der 20. sowie 40. Minute, machte Klassenprimus Mannesmann nach 60 sowie 75 Minuten zwei Tore. Dem DGA erschien das Resultat letztlich „dem Spielverlauf entsprechend“. In der Rückrunde bildete das Treffen ein echtes Spitzenspiel: Der MSV führte die Tabelle mit 21 Punkten an, es folgten Duisburg 1900 mit 20 und Mannesmann mit 19. Laut General-Anzeiger war die Partie erneut „über Gebühr hart“, wobei der MSV „nach 10 Minuten“ und der Gastgeber später ebenso einen Platzverweis erhielten. Obwohl sie bis zur Pause zwei Treffer kassierten, konnten die Zebras „in ihrem kämpferischen Einsatz nicht übertroffen werden“ und machten in der 2. Hälfte den Anschluss, sodass der Ausgang ohne lange Unterzahl und das Eigentor zum 0:2 „zumindest zweifelhaft“ erschienen wäre. Die Tabellenführung übernahm ‚1900‘. Am Saisonende 1940/41 verpasste Mannesmann als Staffelsieger schließlich nur knapp den Gauliga-Aufstieg, der MSV holte den vierten Platz.
Berichtedes General-Anzeigers 1940/41 (16.09.1940, Nr. 256, S. 5; 27.01.1941,Nr. 27, S. 4)
1941/42 spielten drittplatzierte Zebras Ende November bei der auf dem fünften Rang liegenden WKG in einer „spannend und abwechslungsreich“ verlaufenden Partie 4:4, was „eine große Überraschung“ bildete. Zur Pause stand es 2:2, dann erreichte Hüttenheim einen Vorsprung von 4:2, der „kurz vor Schluss“ aber erneut egalisiert wurde. Inder Rückrunde siegte der Spielverein daheim im Mai 1942 sicher 3:1.In der Folgesaison überrollte er die Wettkampfgemeinschaft im November 1942 mit 10:1 (4:1), bevor diese zum Jahresende wieder zum VfL Hüttenheim wurde. Die Chronik der SG meldet, der Betriebssportgemeinschaft sei die Jugendarbeit untersagt worden, was den Austritt nötig gemacht habe – hatte die Politik der Nationalsozialisten den lokalen Fußball ab 1938 rein sportlich gestärkt, führten Verschiebungen im Kampf verschiedener Institutionen des Regimes um Einfluss im Sport nun zum Abstieg als abgeschlagener Letzter im Sommer 1943. Das Heimspiel gegen Meiderich im März, das beide Teams ersatzgeschwächt sah, gewann der „Zebranachwuchs“ dabei „überlegen“ 3:0.
Spielberichte von November 1941 sowie März 1943(DGA, 24.11.1941, Nr. 325, S. 3; 08.03.1943, Nr. 67, S. 3)
So endeten die Ligabegegnungen beider Vereinen nach nur vier Jahren bereits wieder – und die Erinnerung an diese Zusammentreffen scheint mit den sie umgebenen, äußerst dunklen Zeitenvergangen zu sein. Ab 1945 ging man wie bekannt sehr unterschiedliche Wege. 1970 gastierte der MSV als Bundesligist schließlich ein weiteres Mal beim vier Jahre zuvor in „VfL Duisburg-Süd“ umgetauften alten Bekannten aus Hüttenheim und obsiegte mit 9:1 – selbstverständlich in einem Freundschaftsspiel. Dieser kurze Rückblick hat aber hoffentlich zeigen können, dass die heutige Paarung im Ligabetrieb doch ein klein wenig Tradition in sich birgt.
Alle Partien gegen die ersten Mannschaft des MSV im Überblick:
17.12.1939 WKG Mannesmann – Meidericher Spielverein 1:1 (1:0) Bezirksklasse (II.)
03.03.1940 Meidericher Spielverein – WKG Mannesmann 0:10 (0:4) Bezirksklasse (II.)
15.09.1940 WKG Mannesmann – Meidericher Spielverein 2:2 (0:2) 1. Klasse (II.)
26.01.1941 Meidericher Spielverein – WKG Mannesmann 1:2 (0:2) 1. Klasse (II.)
23.11.1941 WKG Mannesmann – Meidericher Spielverein 4:4 (2:2) 1. Klasse (II.)
24.05.1942 Meidericher Spielverein – WKG Mannesmann 3:1 1. Klasse (II.)
15.11.1942 Meidericher Spielverein – WKG Mannesmann 10:1 (4:1) 1. Klasse (II.)
07.03.1943 VfL Hüttenheim – Meidericher Spielverein 0:3 (0:2) 1. Klasse (II.)
01.10.1974 VfL Duisburg-Süd – MSV Duisburg 1:9 (0:6) Freundschaftsspiel
Quellen: Archiv des MSV Museum e. V. // Platzweihe in Ehingen-Hüttenheim, in: RRZ, 03.12.1921, Nr. 511, S. 3;Ehingen-Hüttenheim, Ebd., 07.12.1921, Nr. 516, S. 3; Der T.-V. Huckingen aus seinem Schlaf erwacht, in: DGA, 11.07.1924, Nr. 250, S.5; Neue Sportplatzanlage in Hüttenheim, Ebd., 12.02.1930, Nr. 72, S.4; Der Turn- und Sportverein Huckingen, in: DGA, 20.09.1933, Nr. 259,S. 14; Große Ziele des VfL. Hüttenheim, in: RRZ, 05.09.1935, Nr.245, S. 6; Wkgm Mannesmann in Duisburg, in: DGA, 16.02.1938, Nr. 46,S. 8; Bezirksklassenreife für Mannesmann, Ebd., 15.05.1939, Nr. 132, S. 9; Spitzengruppe erneut vor Bewährungsprobe, Ebd., 16.12.1939, Nr. 345, S. 4; Die erwartete Punkteteilung, Ebd., 18.12.1939, Nr. 347, S. 5; Mannesmann– Meidericher SpV. 1:1 (1:0), in: RRZ, 18.12.1939, Nr. 346, S. 3;SaftigeAbfuhr für den Meidericher Spielverein, in: DGA, 04.03.1940, Nr. 64,S. 3; Was war da in Meiderich los?, in: RRZ, 04.03.1940, Nr. 63, S.3; th.: Bei Mannesmann unentschieden, Ebd., 16.09.1940, Nr. 255, S.3; Dem Spielverlauf entsprechend, in: DGA, 16.09.1940, Nr. 256, S. 5; Über Gebühr hart, Ebd., 27.01.1941, Nr. 27, S. 4; Schafft Holten es noch?, Ebd., 28.07.1941, Nr. 206, S. 4; Meiderich muss Punkt abgeben, Ebd., 24.11.1941, Nr. 325, S. 3; „Zebranachwuchs“ schaffte es, Ebd., 08.03.1943, Nr. 67, S. 3 // Von Roden, Günter: Geschichte der Stadt Duisburg. Band 2: Die Ortsteile von den Anfängen. Die Gesamtstadt seit 1905. 2Duisburg1979; Luh, Andreas (2008): Fußball im Firmen- und Behördensport, in: Peiffer, Lorenz/Schulze-Marmeling, Dietrich (Hrsg.): Hakenkreuz und rundes Leder. Fußball im Nationalsozialismus. Hildesheim: Verl.Die Werkstatt, S. 153-165; Becker, Frank/Schäfer, Ralf (Hrsg.)(2016): Sport und Nationalsozialismus. Hildesheim: Wallstein; Dembowski, Gerd/Piesczek, Dirk/Riederer, Jörg: Im Revier der Zebras. Die Geschichte des MSV Duisburg. Göttingen 2001; 50 Jahre VfL Duisburg-Hüttenheim. 20. Juni bis 28. Juni 1970. [Duisburg 1970];100Jahre TuSpo Huckingen. Aus der Vergangenheit in die Zukunft![Duisburg 1998]; [Mronga, Mario]: Geschichte: VfL Duisburg Süd 1920e.V., in: SG-Duisburg-Sued.de, o. D.,www.sg-duisburg-sued.de/geschichte/vfl-duisburg-süd-1920-e-v.
Autor:Martin Blasius (Stand: 20.03.2024).