Der Meidericher SV vor 90 Jahren:
Start in eine neue Saison
Start in eine neue Saison
von Tobias Pitsch
Am 16. August 1931 war es so weit: Nach einer Sommerpause von sieben Wochen startete die neue Saison. In der Gruppe A der zweigeteilten Sonderklasse der Bezirksklasse Niederrhein ging es um den Meistertitel, welcher zwischen den beiden Gruppensiegern ausgespielt wurde und zur Teilnahme an der Westdeutschen Meisterschaft berechtigte. Im Vorjahr konnten der Meidericher SV sich durchsetzen und gegen die Spvg. Sterkrade den Titel holen. Über die Westdeutsche Meisterschaft qualifizierten die Zebras sich dann für die Deutsche Meisterschaft, bei der allerdings in der ersten Runde bereits Schluss war. Gegner war der spätere Vizemeister 1860 München. Für die neue Saison galt der MSV als Favorit.
Der Duisburger General-Anzeiger (DGA) stellte fest, dass trotz der kurzen Pause wieder gespielt werden musste, da die Vereine in ihrer wirtschaftlichen Not „jeden Pfennig Spieleinnahmen gebrauchen“ konnten. Hier werden die Auswirkungen der seit 1929 andauernden Weltwirtschaftskrise klar, welche das Ruhrgebiet schwer traf - und auch die Vereine hart, die größtenteils auf Zuschauereinnahmen und Mitgliedsbeiträgen angewiesen waren. Die wirtschaftliche Situation war so angespannt, dass in der Vorsaison einige Vereine, die ihre Fahrtkosten nicht mehr decken konnten, ihre Auswärtsspiele per Post „verschenkten“. Die Clubs der Sonderklasse einigten sich darauf in der Saison 1931/32 einen Ticketpreis von 50 Pfennig an der Tageskasse und 30 Pfennig im Vorverkauf zu nehmen, womit auch den durch die Weltwirtschaftskrise arbeitslos Gewordenen, von denen es zu der Zeit in Duisburg eine große Masse gab, der Stadionbesuch ermöglicht werden sollte. Eggers zitiert in seinem Buch „Fußball in der Weimarer Republik“ eine Berechnung der Zeitschrift „Fußball“ aus eben jener Saison, die zu dem Ergebnis kommt, dass bei einem Ticketpreis von 50 Pfennig zu jedem Heimspiel etwa 1.000 Zuschauer kommen müssten, um die Kosten (Spielerspesen, Ausrüstung) zu decken. Dabei merkt Eggers an, dass Kosten für beispielsweise Verwaltung und Jugendmannschaften in dieser Kalkulation fehlten. Jedoch muss angemerkt werden, dass Vereine, wie oben beschrieben, noch über Mitgliedsbeiträge verfügten, die jedoch zwischen den Vereinen strak variierten. Auch die bereits erwähnten Reisekosten mussten finanziert werden. Zum Saisonauftakt empfing der MSV die Sportfreunde Krefeld an der Westender Straße vor etwa 1.500 Zuschauern. Gegen den Aufsteiger von der anderen Rheinseite galt der MSV als klarer Favorit. In der Vorberichterstattung des DGA wurde für die Partie Siege in Höhe von 6:1, 6:2 und 3:0 für den MSV getippt. In der Vorwoche hatten die Zebras ihre Ambitionen auch in einem Testspielsieg bei Altona 93 in Hamburg unter Beweis gestellt. Mit 8:1 wurde der Vorjahres Viertelfinalist der Norddeutschen Meisterschaft besiegt. Die 1.200 Zuschauer in der heutigen Adolf-Jäger-Kampfbahn sahen ein „schnelles“ und „eifriges“ Spiel des MSV gegen eine „nicht eingespielte“ Altonaer Mannschaft, so die Hamburger Nachrichten.
Eine Woche später spielten die Gäste aus Krefeld in Meiderich „aufopferungsvoll“ (DGA), jedoch waren die Hausherren spielbestimmend. Zum Führungstreffer kamen sie in der 35. Spielminute und erzielten damit den 1:0 Pausenstand. In der zweiten Halbzeit konnte der MSV seine Überlegenheit besser nutzen. In der 65. Spielminute erzielte Lange mit einem Weitschuss das 2:0, später erhöhte Neumann per Flachschuss auf 3:0. Für Meiderichs Torhüter Kosminski war es bis zum folgenden Anschlusstreffer der Krefelder ein sehr ruhiger Arbeitstag. Nach einer sehenswerten Kombination von Krämer und Neumann konnte der MSV den alten Abstand wieder herstellen. Den Schlusspunkt markierte in diesem Spiel jedoch die Verletzung von MSV-Stürmer Spiering, welcher nach einem harten Zusammenprall mit einem Krefelder Verteidiger nicht weiterspielen konnte. Der DGA berichtete von einem Schienbeinbruch, einer für die Zeit, im Vergleich mit heute, nicht so ungewöhnlichen Verletzung im international als „brutal“ geltenden deutschen Fußball. Somit startete der Meidericher SV mit einem souveränen Sieg in die Mission Titelverteidigung. Während die Gäste aus Krefeld am nächsten Spieltag in ihrem ersten Heimspiel der Saison den SV Kaldenkirchen empfingen, hatte der MSV eine spielfreie Woche, die sie zu einem Testspiel gegen den Duisburger Spielverein aus der Gruppe B der Sonderklasse nutzten
Quellen- und Literaturverzeichnis:
- Eckner, O. G.: Die Meisterschafts-Saison der Sonderklasse beginnt. Es wird wieder aufs Tor geschossen, in: Duisburger General-Anzeiger (15. August 1931), Nr. 225, S. 5.
- Eggers, Erik: Fußball in der Weimarer Republik, 2. stark erweiterte Auflage, Kellinghusen 2018.
- Deutscher Sportclub für Fußballstatistiken e.V.: Fußball in Westdeutschland 1902/03 – 1932/33. Ergebnisse und Tabellen aus den höchsten Ligen des Westdeutschen Spielverbandes und der Einzelverbände der Region, Berlin 2009.
- Grüne, Hardy: Enzyklopädie des deutschen Ligafußballls. Band 1 Vom Kronprinzen bis zur Bundesliga 1890 bis 1963, Kassel 1996.
- Köllner, E.: Der Niederrheinmeister 30/31 heißt Meidericher Spielverein, in: Duisburger General-Anzeiger (25. Februar 1931), Nr. 54, 1. Beilage.
- Vinschen, Klaus-Dieter: Erster Weltkrieg und Weimarer Republik (1914-1933), in: Kleine Geschichte der Stadt Duisburg, hg. v. Ludger Heid et al., 4. Unveränderter Nachdruck mit erweiterter Zeittafel, Duisburg 1996, S. 253-308.
- Ohne Autor: Meiderich siegt unangefochten, in: Duisburger General-Anzeiger (17. August 1931), Nr. 227, 1. Beilage.
- Ohne Autor: Schwere Fußballniederlage von Altona 93. Meiderich gewinnt mit 8:1 (3:0), in: Hamburger Nachrichten (8. August 1931), Nr. 367, S. 10.
- Ohne Autor: Tips, in: Duisburger General-Anzeiger (15. August 1931), Nr. 225, S. 5.
- Ohne Autor: Weitere Sonderklassenergebnisse, in: Duisburger General-Anzeiger (10. August 1931), Nr. 220, 3. Beilage.
Stand: 20.07.2021
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